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Beitrag vom 19.07.2007
Sisters in Law
Stefanie Denkert
Die englische Filmemacherin Kim Longinotto präsentiert eine
bewegende Dokumentation über weibliche Solidarität in Kamerun. Exklusiver Berlin-Start: 26.07.07 - bundesweiter Kinostart: 13.09.07
Die Richterin Beatrice Ntuba und die Staatsanwältin Vera Ngassa arbeiten in Kumba, einem kleinen Ort im Südwesten Kameruns. Sie begreifen sich als Anwältinnen von Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalttaten wurden. In "Sisters in Law" hat die Filmemacherin Kim Longinotto die Frauen bei den Verhandlungen dreier Delikte aus dem Dorf begleitet. Die Frauenrechtlerinnen führen hier ihren Kampf für Gerechtigkeit zwischen drei Rechtsauslegungen: der des Staats, der traditionellen und der islamischen Scharia. Das macht ihrem Kampf dreifach schwer.
Unter den Opfern die sie vertreten, ist Manka, ein sechsjähriges Mädchen, das von ihrer Tante verschleppt und misshandelt wurde. Dann ist da noch eine 10-Jährige, die von ihrem Nachbarn vergewaltigt wurde, und der nun versucht dem Opfer die Schuld zuzuweisen ("Sie wollte mich verführen"). Ein weiterer Fall ist der einer zwangsverheirateten muslimischen Ehefrau namens Amina, die den Mut hat, ihr Schweigen zu brechen. Nach Jahren der Qual will sie sich von ihrem schlagenden Ehemann scheiden lassen. Damit statuiert sie ein Exempel, das die anderen Frauen in Kumba sehr begrüßen. Nun stellen sie fest, dass sie nicht allein sind mit ihren Problemen, und dass sie sich nicht im Namen der Scharia alles gefallen lassen müssen. Die Hoffnungen unter den Frauen im Dorf sind groß geworden: "Jetzt werden die Männer die Nachricht bekommen.", sagt Amina. "Wir haben still gelitten." Dabei denkt sie auch an Schulbildung für ihre Kinder - an Zukunftschancen, die sie nicht hatte, und die sie ihren Kindern bieten will.
Fall für Fall erkämpfen sich die beiden Rechtshüterinnen Achtung in der muslimischen Gemeinde, mitfühlend gegenüber den Opfern, eloquent und resolut gegenüber den mutmaßlichen TäterInnen. Langsam, aber stetig setzt ein Umdenken in den Köpfen ein. Kim Longinotto und Co-Regisseurin Florence Ayisi haben in "Sisters in Law" "Meilensteine des Frauenrechts" festgehalten, an einem Ort, wo man sich immer noch "auf ländliche Weise" die Ehe mit einem Mädchen für 120 Euro und ein Schwein kaufen kann. Gerechtigkeit, das bedeutet auch Strafe für die TäterInnen, und sich Akzeptanz zu verschaffen in einer Umgebung, in der Frauen nichts wert sind. Longinotto deutet nur an, wie lange es dauerte, diesen Respekt zu erwerben, oder welcher staatlicher Gewalt es bedarf, sie zu erhalten. Denn
das uralte System der Unterdrückung wehrt sich, doch Ngassa und Ntuba lassen sich nicht von ihrem Kampf für Gerechtigkeit abbringen. Dabei sind die Ewig-Gestrigen im Dorf, die "ein Jahrhundert verpasst haben", nicht selten unfreiwillig komisch, und die Frauenrechtlerinnen lassen ihre schwachen Argumente nicht durchgehen.
AVIVA-Tipp: "Sisters in Law" ist ein Plädoyer für Gerechtigkeit und ein Dokument rechtsstaatlicher Errungenschaften. Trotz der grausamen Thematik wird nicht mitleidserregend auf die Tränendrüse gedrückt. Die Frauen im Film sind herzlich, aber resolut. Da wird dem schlagenden Ehemann, der im Gerichtssaal anfängt zu weinen, auch mal direkt gesagt, dass er "sich gefälligst zusammenreißen soll". Absolut sehenswert!
Die Richterin Beatrice Nambangi Ntuba ist gleichzeitig als Staatsanwältin ausgebildet. Nachdem sie sieben Jahre als Staatsanwältin gearbeitet hat, wurde sie Vorsitzende Richterin des Landgerichts in Kumba und nun der Stadt Muyuka, wo sie mit ihrem Ehemann Dr. Thompson Ntuba lebt. Ihr juristischer Fokus sind Gleichstellungsprobleme, häusliche Gewalt und Kindesmisshandlung.
Zur Staatsanwältin Vera Nkwate Ngassa ist Vorsitzende Richterin des Obersten Zivilgerichts in Kamerun. Sie ist Professorin an der Universität von Buea und unterrichtet Women- und Gender Studies. Aktiv ist sie auch in der staatlichen Alphabetisierung für Frauen und der Ausbildung von Juristen. Ngassa ist verheiratet und hat fünf Kinder, von denen zwei adoptiert sind.
Zur Regisseurin: Kim Longinotto, geb. 1952 in London, arbeitet seit 1979 als Dokumentarfilmerin. 1986 gründete Longinotto zusammen mit Clair Hunt die Produktionsfirma Vixen Films und ist seitdem auch als Produzentin tätig.
Kim Longinotto arbeitet als Regisseurin, Kamerafrau, Drehbuchautorin und Produzentin. Ihre Regiearbeiten umfassen, u.a.: The Day I Will Never Forget (2002), Runaway (2001/I), Gaea Girls (2000), Scheidung auf Iranisch (1998), Dream Girls (1994).
Auszeichnungen: u.a.
Cannes Film Festival - Prix Art et Essai
Amsterdam - Winner Audience Award
Dokfest 2006 München - Preis für den "Besonderen Dokumentarfilm"
Sisters in Law
GB & Kamerun, 2005,
104 Min., (OmU)
Regie: Florence Ayisi & Kim Longinotto
Mit: Beatrice Ntuba, Vera Ngassa
Verleih: Ventura Film Berlin
Weitere Infos auf der Produktionsseite des Films:
www.wmm.com/sistersinlaw.htm